Das heutige „Theater Altes Hallenbad“ in Friedberg/Hessen ist ein ehemaliges Schwimmbad, das 1909 im Jugendstil errichtet wurde. Nach langem Leerstand ab 1980 wird das Alte Hallenbad heute nach etlichen Sanierungsarbeiten als Theater und Kultureinrichtung genutzt.
Geschichte Das Jugendstil-Gebäude in der Friedberger Innenstadt in der Nähe des Wetterau-Museums und der Friedberger Stadtkirche - heute das „Theater Altes Hallenbad“ - wurde im Jahr 1909 als Schwimmbad und Badeanstalt eingeweiht. Der Begriff Badeanstalt ist wörtlich zu nehmen. Damals gab es in den Wohnungen der Friedberger Altstadt kaum fließendes Wasser und keine Badezimmer. Für wenige Groschen konnten die Bürgerinnen und Bürger die Dusch- oder Wannenbäder nutzen. Neu und modern war daneben das große Schwimmbad. Es ermöglichte den Menschen, schwimmen zu lernen und schwimmen zu gehen. In einem zeitgenössischen Flugblatt von 1909 ist in einer Selbstbeschreibung von einem „modern eingerichteten Bad für Schwimm-, Wannen-, Dampf-, Medicin-, Brause-, Luft- und Sonnen- Bädern“ die Rede. Und tatsächlich gab es im Obergeschoss eine nach Süden ausgerichtete Terrasse für Sonnenbäder. Die Initiative für den Bau dieses Schwimmbads kam Anfang des 20. Jahrhundert aus der aufgeklärten Friedberger Bürgerschaft. Sie gründete einen Bürgerverein, der sich für den Bau einsetzte, um bessere hygienische Verhältnisse für alle Friedberger Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. So wurde das Schwimmbad zum Symbol für die soziale Entwicklung der Stadt. Und von daher erklärte der Architekt Hans Meyer bei der späteren feierlichen Eröffnung: „Was die Stadt Friedberg jahrelang erstrebt hat, ist dank der Opferwilligkeit und dem Gemeinsinn der Bürgerschaft nun durch Fleiß und rege Tätigkeit vieler Mitwirkender fertiggestellt und zur Zierde ihrer Stadt geworden.“ (Neue Tageszeitung, 8. 6. 1909). Und im Vorwort der Festschrift zur Eröffnung hielt Oberlehrer Ferdinand Dreher fest: „Unser gutes, altes Friedberg steht mit der Eröffnung des Städtischen Schwimmbades wieder an einem Markstein seiner Entwicklung.“ (Festschrift zur Eröffnung des Städtischen Schwimmbades Friedberg (Hessen) Pfingsten 1909, Verlag der Neuen Tageszeitung, Friedberg, 1909). Der Bürgerverein sorgte für die Finanzierung des Baus über Spenden, eine Lotterie und eine Aktiengesellschaft, die „Actien-Gesellschaft Städtisches Schwimmbad Friedberg in Hessen“. Der Voranschlag belief sich auf 153.000 Mark (WZ vom 20. 1. 1979). In der Rekordzeit vom 17. Februar 1908 (erster Spatenstich) bis zum Mai 1909 wurde das Bad nach den Plänen desArchitekten Hans Meyer aus Gießen errichtet. Er beschrieb den Baustil folgendermaßen: „Während im Inneren des Gebäudes vorwiegend moderne Stileinrichtung zur Anwendung kam, zeigt das Äußere durchweg den Charakter des Barocks.“ (Festschrift zur Eröffnung des Städtischen Schwimmbades Friedberg (Hessen) Pfingsten 1909, Verlag der Neuen Tageszeitung, Friedberg, 1909). So ist das Gebäude im Inneren durch zahlreiche Elemente des Jugendstils gekennzeichnet, während es außen dem damals modernen Neo-Barock huldigt. Beim Bau und der Ausstattung wurden vor allem Bau- und Handwerksbetriebe aus Friedberg und der Region beauftragt; die Festschrift zur Eröffnung 1909 listet alle Handwerker und Zulieferer auf (Festschrift zur Eröffnung des Städtischen Schwimmbades Friedberg (Hessen) Pfingsten 1909, Verlag der Neuen Tageszeitung, Friedberg, 1909). Nach Fertigstellung beliefen sich die Kosten auf 169.737 Mark (WZ vom 26. 6. 1981). Sie waren durch die Mittel des Vereins gedeckt. Der Bürgerverein sorgte nach der Eröffnung des Schwimmbads zu Pfingsten 1909 zunächst für den Betrieb des Hallenbads. Bei der Eröffnung sagte der Friedberger Apotheker Georgi als Vorsitzender der Actien-Gesellschaft: „Wenn wir auch anfangs keine materiellen Vorteile haben, so kann der ideale Gewinn unserer Bevölkerung an Reinlichkeit, Wohlbefinden und Gesundheit nicht hoch genug bewertet werden und wollen wir darin die Zinsen für das von uns allen angelegte Kapital erblicken.“ (Neue Tageszeitung, 8. Juni 1909) Am 1. 4. 1934 übernahm die Stadt Friedberg durch den Ankauf der Restaktien das Bad und betrieb es dann in eigener Regie. In der Nachkriegszeit fielen 1963 viele Jugendstil-Elemente des Schwimmbads einer vermeintlichen „Modernisierung“ zum Opfer. Wandbilder, wie das elf Meter breite und fünf Meter hohe „Wellenspiel“ des Friedberger Zeichenlehrers Roth an der Stirnseite, Deckenmalereien, Türen, alte Fliesen, das hölzerne Kassenhäuschen und ein kleiner Brunnen im Vorraum wurden entfernt, Fenster, zum Teil aus Buntglas, durch Glasbausteine ersetzt. Die alten Wannenbäder wurden beseitigt. Ihre Nutzung lohnte sich nicht mehr, da immer mehr Häuser und Wohnungen eigene Badezimmer erhielten. Das Schwimmbecken jedoch behielt seine wichtige Funktion. Gerade in den 50er, 60er und 70er des letzten Jahrhunderts kamen viele Menschen aus Friedberg und Umgebung zum Schwimmen in das Alte Hallenbad. Nahezu alle Friedbergerinnen und Friedberger und Schülerinnen und Schüler aus der Wetterau haben während ihrer Schulzeit dort schwimmen gelernt. Noch immer fühlen sie sich dem Alten Hallenbad verbunden. Und die Wetterauer Zeitung schrieb am 22./23. April 1967: „Die Kreisstadt kann sich glücklich preisen, in ihrem Hallenbad eines der schönsten Bäder dieser Art landauf landab zu besitzen.“ Nachdem die Städte Friedberg und Bad Nauheim Ende der 1970er Jahre ein gemeinsames Freizeit- Schwimmbad errichtet hatten, wurde das Friedberger Hallenbad am 1. 6. 1980 endgültig geschlossen. Es verkam und verfiel zunehmend. 1985 wurde es als „Denkmal bürgerschaftlichen Gemeinsinns“ unter Denkmalschutz gestellt und konnte damit nicht abgerissen werden. Im Jahr zuvor hatte der damalige Bürgermeister Dr. Ludwig Fuhr in der Festschrift „75 Jahre Schwimmen in Friedberg“ an die Verpflichtung der Stadt erinnert, das Hallenbad für den Fall, dass es als Badeanstalt nicht mehr betrieben wird, „es in einer anderen Weise gemeinnützigen Zwecken dienstbar zu machen, die es ermöglichen, das Erbe bürgerlichen Gemeinsinns in einer Form weiterzuführen, die den Intentionen der damaligen zahlreichen Spender Rechnung trägt“. Während des langen Leerstands ab 1980 gab es deshalb Friedberger Bürger, die das Ziel verfolgten, das attraktive Jugendstil-Gebäude zu retten, zu sanieren und wieder mit Leben zu füllen. Unter anderem auch als eine Kultureinrichtung für die Stadt und die Wetterau, da es in der Stadt kulturelle Veranstaltungen lediglich in der großen Friedberger Stadthalle gab. Eine kleine Bühne mit besonderem Charakter fehlte. Nach verschiedenen Initiativen in den 1990er Jahren gründeten engagierte Bürger im April 2007 die Gesellschaft der Freunde Theater Altes Hallenbad Friedberg/Wetterau e.V., die rasch eine große Anzahl von Mitgliedern gewann (derzeit 1.400). „Von Bürgern für Bürger: Beim alten Hallenbad im hessischen Friedberg war das von Beginn an das Motto“ (Monumente – Magazin für Denkmalkultur, Februar 2020). Im September 2008 folgte dann die Gründung einer gemeinnützigen GmbH mit dem Verein als alleinigen Gesellschafter. Nach Verhandlungen mit der Eigentümerin des Gebäudes, der Stadt Friedberg, wurde das Alte Hallenbad im November 2009 der Gesellschaft im Rahmen eines Erbbaurechtsvertrages für 66 Jahre übergeben. So konnten mit Hilfe der Stadt, den Vereinsbeiträgen, Spendengeldern und öffentlichen Mitteln die ersten notwendigen Sanierungsarbeiten (Trockenlegen des Kellers) begonnen werden. Im Jahr 2010 erfolgte ein Architekten-Wettbewerb, der die planerischen Grundlagen für die grundlegende Sanierung des Jugendstil-Gebäudes in enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz und zum Umbau des Alten Hallenbades zu einem Theater legte. Seither wird saniert, renoviert, umgebaut und installiert. Das Schwimmbecken wurde abgedeckt. Es entstand der große Saal.
Gegenwart 1. Kulturprogramm Seit rund sieben Jahren wird das Alte Hallenbad trotz der laufenden Baumaßnahmen als Kultureinrichtung genutzt. Vom 15. bis zum 23. Juni 2013 hatte die erste „Kulturwoche Theater Altes Hallenbad“ Premiere. Heute stellt die vereinsinterne Kultur-AG unter dem Titel „Kulturtaucher“ pro Jahr ein Programm mit rund 80 Veranstaltungen zusammen. Ein Höhepunkt ist dabei jährlich eine Oper als Eigenproduktion von Mitgliedern des Vereins mit eigenem Orchester und Chor. Hinzu kommt die Kooperation mit der freien Friedberger Theater-Gruppe „Heldentheater“. Klassische und populäre Konzerte, Kleinkunst, Kabarett, Vorträge und Programme für Kinder runden das Programm ab. Zudem arbeitet das Theater Altes Hallenbad mit der Friedberger Musikschule bei den „Internationalen Gitarrentagen“ mit Musikern aus aller Welt zusammen. Zahlreiche Friedberger Einrichtungen vom örtlichen Energieversorger über die Technische Hochschule Mittelhessen, dem Wetteraukreis, die Stadt Friedberg bis zum Finanzamt nutzen das Theater für eigene öffentliche oder interne Veranstaltungen. Auf Nachfrage sind auch private Geburtstags- oder Familienfeiern Friedberger Bürgerinnen und Bürger im Alten Hallenbad möglich. So steht das Haus für alle Menschen aus der Stadt und der Region offen: Ein Treffpunkt für Kulturinteressierte. Das Theater Altes Hallenbad hat sich seinen besonderen Platz als Kultureinrichtung in Friedberg geschaffen. Die Resonanz über die Stadtgrenzen hinweg ist groß. Die Stadt Friedberg, die Landesarbeitsgemeinschaft soziokultureller Zentren, der Mittelhessische Kultursommer und Patenschaften Friedberger Firmen oder Personen unterstützen mit ihren Zuschüssen das kulturelle Programm. Alle Veranstaltungen werden kostendeckend geplant und durchgeführt. Hier spielt das freiwillige ehrenamtliche, also unentgeltliche Engagement der Vereinsmitglieder eine große Rolle.
2. Ausblick: Weitere Renovierung und Restaurierung
Das Hessische Landesamt für Denkmalpflege, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Bundesrepublik Deutschland und die Stadt Friedberg unterstützen die Restaurierung und Renovierung des Gebäudes. Privatpersonen und Firmen tragen mit ihren Spenden dazu bei, dass zahlreiche Elemente aus der Zeit des Jugendstils wiederhergestellt werden können. So zum Beispiel neue Fenster, die sich an den Originalen orientieren (s. Foto), restaurierte Bänder an der Deckenrundung, die Fliesen und Kacheln an den Pfeilern oder die Geländer im Treppenhaus und an der Galerie (s. Fotos). Auch soll das übermalte Gemälde mit der Abbildung von Badenden an der Stirnseite des Saales rekonstruiert werden. Die Planung für den weiteren Umbau sieht ein größeres Foyer mit Theke, sanierte Nebenräume - als Versammlungs- oder Ausstellungsorte zu nutzen -, Barrierefreiheit durch Rampen und Fahrstuhl und moderne Veranstaltungstechnik vor. Langfristig ist auch an die Einrichtung einer Gastronomie im Sockelgeschoss gedacht. Auch die Außenanlagen sollen hergerichtet werden. „Selbst wenn kein Wasser mehr sprudelt, wird der einstige Glanz des alten Jugendstilbads mit den Fliesen und dem ornamentalen Geländer bewahrt bleiben“ (Monumente – Magazin für Denkmalkultur, Februar 2020). Nach bisheriger Planung sollen die Arbeiten im Jahr 2023 beendet werden.